Sozialpolitik ist nicht altmodisch! beteuerte Rudolf Dreßler. Der 70jährige Sozialdemokrat saß zwanzig Jahre im Bundestag, war stellvertretender Fraktionsvorsitzender und gehörte sowohl dem Parteivorstand als auch dem Präsidium an. Jetzt war er auf Einladung der Bad Honnefer Sozialdemokraten zu einer Mitgliederversammlung erschienen. Er kritisierte vehement, dass heute die Bezeichnung sozial als karitativ und unterstützend missverstanden werde. Die Gegner des Sozialstaates benutzten diese Fehlinterpretation bewusst. Denn wer, so fragte Dreßler, möchte schon in einem karitativen Staat oder einem Unterstützerstaat leben. Sozialpolitik sei in die Kritik geraten als den Einzelnen entmündigende Geldverteilungsmaschinerie. Ein denunziatorisches Zerrbild, empörte er sich.
Er erinnerte an den § 20 des Grundgesetzes, in dem der Sozialstaat unumstößlich verankert ist. Sozialpolitik sei dazu da, den Menschen ein Stück Freiheit zu verschaffen, ihren Lebensentwurf zu verwirklichen. Voraussetzung dafür seien immer noch: Arbeit, von der die Menschen leben können, Gesundheitsversorgung, die bezahlbar für alle ist und eine Altersversorgung, die die Menschen später nicht in die Armut fallen lässt. Überall da, wo der einzelne mit diesen Aufgaben überfordert ist, da ist die Gemeinschaft gefordert ihm zu helfen.
Dreßler beschwor die Gemeinschaft und kritisierte die Sozialschmarotzer, wie er die über 18000 Menschen bezeichnete, die in der Schweiz Millionen Euro an Steuern hinterzogen haben, und jetzt mit einer Selbstanzeige ohne Strafe davon kommen. Er forderte eine Abkehr von der neoliberalen Politik – auch einzelner Sozialdemokraten. Sein leidenschaftlicher Vortrag berührte die Anwesenden sehr und es entwickelte sich im Anschluss eine lebhafte Debatte.